Geschichte

Ukraine bedeutet 'Grenzland'

Das war dieses Land auch: Nördlich des Schwarzen Meeres, am Rande der Steppe bildete das Land eine Grenze zwischen der seßhaften Bevökerung und den Nomaden, zwischen dem Christentum der Slawen und dem Islam der Turko-Tartaren.

Das Kiever Reich: 9. - 13. Jh.

Während der slawischen Wanderbewegungen kamen Ostslawen in Gebiete des heutigen Russlands und der heutigen Ukraine. Kiev, ein verkehrsgünstiger Stützpunkt des Fernhandels, war der Mittelpunkt des im 9. Jahrhundert entstehenden slawischen Reiches.

Jaroslav der Weise führte das Seniorat, eine Thronfolgeordnung ein. Trotzdem gab es immer wieder Zwistigkeiten, zuerst zwischen den Brüdern - dann zwischen Onkeln und Neffen. Im 13. Jahrhundert zerfiel schließlich das Kiever Reich. Die Zersplitterung in mehrere Fürstentümer, stärkte die Macht der Fürstentümer Vladimir-Suzdal im Nordosten und Halyc-Volin im Südwesten.

Galizien-Wolhynien: 13. - 14. Jh.

Im Jahre 1199 erfolgte die Vereinigung von Wolhynien und von Galizien durch den wolhynischen Fürsten Roman Mstislavic kurz vor dessen Tod. Seine Bemühungen wurden von seinem Sohn Danylo Romanovyc, welcher 1201 geboren wurde, fortgesetzt.

Im folgenden Jahrhundert wurden neue Städte gegründet, darunter L'viv im Jahre 1256. In den Städten siedelten sich neben deutschen Kaufleuten und Handwerkern auch Ostslawen, Juden und Armenier an, welche von Danylo Romanovyc und von dessen Nachfolgern aus den steppennahen östlichen Gebieten in das Land geholt wurden.

Im Jahre 1240 eroberten die Tartaren die südlichen Gebiete der Rus'.

Die mongolisch-tatarische Herrschaft war nicht nur locker, sie bot Galizien-Wolhynien auch Schutz gegenüber Polen und Ungarn, welche immer wieder Ansprüche auf Gebiete des Fürstentums erhoben. Dort befürchtete man ein weiteres Vordringen der Mongolen nach Mittel- u. Westeuropa.

Die sich etablierende Bojarenschicht (Angehörige des nichtfürstlichen Adels) wurde mächtig und eine Konkurrenz für den fürstlichen Adel. Zusammen mit anderen russischen Fürsten waren die Bojaren mitverantwortlich für den politischen Zerfall Galizien-Wolhyniens ab dem Ende des 13. Jahrhunderts.

1340 wurde Wolhynien von Litauen besetzt. Spätestens 1370 fiel das gesamte Wolhynien und Ostpodolien an Litauen. Die übrigen Länder Galizien-Wolhyniens wurden 1387 Polen angeschlossen. Im Jahre 1772 fiel Galizien an die Habsburger Monarchie.

Polen-Litauen: 13. - 18. Jh.

Das Großfürstentum Litauen entstand in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Im 14. Jahrhundert war Litauen die stärkste Macht in Osteuropa. Es erstreckte sich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. Es war ein Vielvölkerreich in dem der Großteil der Bevölkerung orthodoxe Ostslawen waren, deren Glaube von den heidnischen Litauern tolerierten wurde.

Nachdem im 14. Jahrhundert Teile des Fürstentums Galizien-Wolhynien an das Königreich Polen gelangten, war man in Polen vorerst um die Beibehaltung der sozialen und rechtlichen Strukturen sowie des orthodoxen Glaubens bemüht.

Jedoch konnten nur Katholiken in den Genuß adeliger Privilegien gelangen. Deshalb wechselte im 15. Jahrhundert fast der gesamte Adel Galiziens zum römisch-katholischen Glauben über. Gleiches geschah im Großfürstentum Litauen. 1569 entstand der Unionsvertrag von Lublin, zwischen Litauen und Polen, wodurch Litauen den größten Teil seiner Selbständigkeit verlor und die ukrainischen Gebiete direkt dem Königreich Polen unterstellt waren.

Die soziale Kluft zwischen der katholischen und der orthodoxen Bevölkerung weitete sich aus. Während der katholische Adel privilegiert wurde, wurden die orthodoxen Grundschichten in ihren Freihheiten und Besitzrechten eingeschränkt.

Gegen Ende des 16. jahrhunderts flüchteten viele Bauern in das Steppengebiet nördlich des Schwarzen Meeres und schlossen sich den dort lebenden Kosaken an. Polnischen Großgrundbesitzern wurden weite Ländereien in der Ukraine verliehen. Die unterdrückten orthodoxen Bauern hatten Abgaben zu entrichten, welche von Juden im Namen des polnischen Königs eingetrieben wurden. Diese Abhängigkeit schürte den Haß gegen die Juden.

Ab 1717 stand das Königreich Polen-Litauen unter russischem Protektorat. 1795 wurden die Gebiete nördlich und östlich Galiziens Russland angeschlossen. Polen hörte zu diesem Zeitpunkt auf zu existieren.

Die Kosaken und der Chmel'nyc'kyj-Aufstand: 15. - 18. Jh.

Die Tataren, welche in den Steppen nördlich des Schwarzen Meeres lebten, waren freie Krieger. Sie erfüllten für verschiedene Herrscher Verteidigungsaufgaben in den Gebieten am Rande der Steppe. Im Gegenzug dazu, waren sie von Abgaben befreit, durften Land besitzen und Branntwein herstellen. Diesen 'freien Kriegern' (= Kosaken) schlossen sich im Laufe des 16. Jahrhunderts neben ukrainischen und russischen Bauern auch Stadtbewohner und Angehörige des niederen Adels an.

Nach der Union von Lublin änderte sich das Leben im Grenzland. Das lockere soziale Gefüge wurde durch herrschaftliche Strukturen ersetzt. Das Nutzungsrecht an Grund und Boden wurde durch das Eigentumsrecht ersetzt. Ab nun gab es neben den freien Kosaken auch Söldnerkosaken und Registerkosaken. Die Registerkosaken dienten dauernd und genossen Privilegien, während die Söldnerkosaken nur auf Zeit dienten.

Der Niedergang des polnischen Reiches als osteuropäische Großmacht wurde durch den Aufstand der Kosaken im Jahre 1648 eingeleitet. Anlaß dazu war das Schicksal von Bohdan Chmel'nyc'kyj. Ein treuer Gefolgsmann des polnischen Königs, zudem gebildet und katholisch erzogen. Nach dem seine Klage über einen Raub beim König unerhört blieb, zog er sich in die Steppe zurück und scharrte unzufriedene Kosaken um sich. Den aufständischen Kosaken schloß sich die Bevölkerung des Grenzlandes an.

Die Kosaken verbündeten sich mit den Krim-Tartaren und fügten so den polnischen Truppen schwere Verluste zu. Die Judenpogrome welche zu dieser Zeit statt fanden, wiedersprachen der traditionellen Toleranz der Kosaken.

1648 wurde Chmel'nyc'kyj in Kiev als 'Befreier' gefeiert. 1649 erklärten die Tartaren das Bündnis als aufgelöst. 1654 unterzeichneten die Kosaken den Vertrag von Perejaslav und verbündeten sich dadurch mit Russland. 1667 wurde nach dem Frieden von Andrusovo die Westukraine dem polnischen Königreich und die Ostukraine dem russischen Zarenreich angegliedert. Die Autonomie der Kosaken wurde im 18. Jahrhundert schrittweise eingeschränkt und verschwand 1783, als das Kosakenheer aufgelöst wurde, endgültig.

Die Kontrolle über die Steppengebiete nördlich des Schwarzen Meeres hatte nun Russland übernommen. In den Jahren 1781 bis 1783 wurde die linksufrige Ukraine (östlich des Dnepr) unter Zusammenarbeit mit der kosakischen Oberschicht, welche dafür Privilegien erhielt, russifiziert.

Die russische Form der Leibeigenschaft, welche bis 1861 andauerte, wurde eingeführt und bedeutete für die Bauern, dass sie ihre Wohn- und Arbeitsstätte nicht verlassen durften.

Habsburger Reich, Zarenreich Russland: 19. Jh.

Galizien fiel 1772 an die Habsburger Monarchie. Die Gebiete nördlich und östlich Galiziens wurden 1795 Russland angeschlossen. Bis zum Jahre 1918 waren die ukrainischen Gebiete diesen beiden Imperien unterworfen. Das Leben der ukrainischen Bevölkerung gestaltete sich jedoch unterschiedlich: Während die anti-ukrainische Politik Russlands 1876 zum Verbot der ukrainischen Schriftsprache, des Theaters und der Literatur führte, wurden die Ukrainer Galiziens anderen Nationalitäten des Habsburger Reiches gleichgestellt.

Die Sowjet-Ukraine: 20. Jh.

Im Juni 1920 übernahmen die Bolschewiki die Macht in Kiev. Im März 1921 erkannte Polen im Rahmen des Friedensvertrages von Riga die Sowjet-Ukraine völkerrechtlich an. Im Dezember 1922 wurde die Ukrainische Sowjetrepublik zusammen mit der Russischen, der Weißrussischen und der Transkaukasischen Republik zur Union der Sowjetrepubliken zusammengeschlossen. Die Hauptstadt der Ukrainischen Sowjetrepublik war vorerst Charkiv.

Während noch in den 20er-Jahren die ukrainische Sprache und Kultur gefördert, Kaderpositionen mit Einheimischen besetzt und die ukrainische Sprache Amtssprache wurde, verhielt es sich in den 30er Jahren umgekehrt. Ab 1933 wurde die Ukraine russifiziert. Fast die gesamte politische, wirtschaftliche und kulturelle Elite der Ukraine wurde ermordet oder in Straflager deportiert. Den Ersatz bildeten Russen. Ab 1938 wurde an den Schulen und Universitäten die russische Sprache zum Pflichtfach. Unter der Leitung von Chruschtschow wurde, wie überall in der Sowjetunion, auf Befehl Stalins, zum Teil öfters, die gesamte Staats- und Parteiführung ausgewechselt.

Am 30. Juni 1941 besetzten die deutschen Truppen die Ukraine. Bis Ende 1944 erobert die Rote Armee alle besetzten Gebiete zurück.

Im Juni 1941 riefen in Lemberg die ukrainischen Nationalisten unter Führung von Stepan Bandera die Unabhängigkeit der Ukraine aus, welche nur wenige Tage dauerte ('Republik von Lemberg').

In den Jahren 1944-46 wurden im Zuge ethnischer Säuberungen, in Polen lebende Ukrainer und in der Ukraine lebende Polen 'ausgetauscht'.

Zur gleichen Zeit ließ Stalin - wegen angeblicher Kollaboration mit den Deutschen - alle Minderheiten (Armenier, Bulgaren, Griechen, Deutsche u. a.) von der Halbinsel Krim nach Asien deportieren. 1954 wird die 1921 gegründete Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Krim der Ukrainischen Sowjetrepublik angeschlossen.

Das Ende der Sowjet-Ukraine war, als am 24. August 1991 die Ukraine ihre Unabhängigkeit erklärte, nachdem gegen Staatspräsident Gorbatschow in Moskau ein Putschversuch unternommen wurde.

Am 15. Dezember 2000 wird das Atomkraftwerk Tschernobyl, in dem es im Reaktorblock IV am 26. April 1986 zu einer Explosion kam, endgültig stillgelegt. Bis dahin starben nach amtlichen Angaben etwa 3.000 der über 80.000 eingesetzten 'Liquidatoren', welche zu Lösch- und Sicherungsarbeiten eingesetzt waren, an den Strahlenfolgen.

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